1. Voraussetzungen - Notation

1 Grundlage des homophonen Tonsatzes ist der vierstimmige (Chor-)Satz.

Die vier Stimmen sind die real (tatsächlich) am Tonsatz beteiligten. Die Anzahl der Stimmen eines Tonsatzes kann scheinbar höher sein, z.B. bei Oktavverdopplung einer realen Stimme. Die meisten fünf- und mehrstimmigen Sätze lassen sich allerdings fast immer auf eine reale Vierstimmigkeit zurückführen.

Von der Vierstimmigkeit wird im strengen Satz nicht abgewichen. Im freien Satz kann die Anzahl der Stimmen durch Stimmteilung zunehmen. Dies geschieht meist um Fünf- und Mehrklänge vollständig darstellen zu können. Oftmals wird aber auch nur ein Alternativton (häufig in kleinerem Stich notiert) zu einem Ton in extremer Lage angeboten.

Der strenge vierstimmige Chorsatz zu Übungszwecken in der Harmonielehre wird auch als Harmonielehresatz bezeichnet.

2 Ambitus (Stimmumfang) und Stimmführung der einzelnen Stimmen richtet sich nach den vier Singstimmen Sopran (S), Alt (A), Tenor (T) und Bass (B) im gemischten Chor.

Die Bedeutung der einzelnen Stimmen ist verschieden:

Die Stimme, der die Melodie übergeben wird, ist die Hauptstimme. Ihr ordnen sich die übrigen Stimmen als Begleitstimmen unter. Der Bass hat in seiner Gestaltung häufig die Funktion einer Gegenstimme zur Hauptstimme, gewinnt also durchaus an melodischer Selbständigkeit. Begleitstimmen können, sofern sie an melodischer Profilierung gewinnen, zu Nebenstimmen werden.

Melodische Profilierung der Mittelstimmen wurde als Kennzeichen großer Kunstfertigkeit immer angestrebt: das „natürlich fließende der Mittelstimmen und des Basses“ (Carl Philipp Emanuel Bach, Vorrede zur Birnstiel-Ausgabe von Johann Sebastian Bachs Chorälen, Berlin 1765), ein guter Satz sei derjenige „worinnen alle Stimmen abwechselnd figurieren“ (Friedrich Wilhelm Marpurg, Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition, Berlin, 1758), es wird gefordert „dass jede der vier Stimmen nicht nur ihren eigenen fließenden Gesang habe, sondern dass auch in allen einerley Charakter beybehalten werde, damit aus ihrer Vereinigung ein einziges vollkommenes Ganzes entstehe“ (Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes in der Musik, Berlin-Königsberg 1776-79). Gleichberechtigung der vier Stimmen forderte Kritik heraus: „Alle Stimmen sollen miteinander, und in gleicher Schwierigkeit arbeiten, und man erkennet darunter keine Hauptstimme“ (Johann Adolph Scheibe, Kritik an Bachs Kompositionsweise, Hamburg, 1737), aber auch Anerkennung: „Die Harmonie wird weit vollkommener, wenn alle Stimmen miteinander arbeiten. Folglich ist eben dies kein Fehler, sondern eine musicalische Vollkommenheit“ (Johann Abraham Birnbaum, Unpartheyische Anmerckungen über eine bedenkliche Stelle in dem sechsten Stück des Critischen Musicus, Leipzig, 1738)

Ein Satz der nur aus den drei Oberstimmen besteht (also auf die reale Bass-Stimme verzichtet), heißt Oberstimmensatz. Die Töne der tiefsten erklingenden Stimme (Tenor) sind dann im harmonischen Zusammenhang Basstöne, die Stimme hat aber nicht die Funktion des Basses, ist in ihrem Verlauf also weiterhin Mittelstimme (und wird wie eine solche behandelt).

3 Die in Bsp. 1.-1 angegebenen Tonumfänge der vier Stimmen stellen Durchschnittswerte dar und sind auch für weniger leistungsfähige Chöre ausführbar.

Die mit weißen Notenköpfen angegebenen Töne in Bsp. 1.-1 zeigen die obere bzw. untere Grenze. Es erweist sich als günstig, die vier Stimmen in einem geringeren Umfang (etwa eine Oktave) zu bewegen. Diese Umfänge sind mit schwarzen Notenköpfen dargestellt. Ein Über- oder Unterschreiten der Grenzen ist in Ausnahmefällen möglich und sollte musikalisch begründbar sein (z.B. Textausdeutung). Dabei ist zu bedenken, dass extrem hohe oder tiefe Töne besonderer Anstrengung bedürfen, sich klangfarblich von „normalen“ Tönen abheben und daher aus dem homophonen Klang (möglicherweise unerwünscht) hervortreten.

Bsp.1.-1: Durchschnittliche Stimmumfänge im vierstimmig gemischten Chorsatz
    Durchschnittliche Stimmumfänge im vierstimmig gemischten Chorsatz


4 Bei (überwiegend) homophonen Sätzen werden die vier Stimmen auf zwei Systeme notiert: Sopran und Alt werden im oberen System mit Violinschlüssel, Tenor und Bass im unteren System mit Bass-Schlüssel notiert (Bsp. 1.-2, links).

Die Noten der oberen Stimmen in einem System (Sopran und Tenor) erhalten ihre Notenhälse aufwärts, die der unteren Stimmen (Alt und Bass) abwärts gestrichen.

Bsp. 1.-2: Vierstimmige Notation auf zwei und vier Systemen

     Vierstimmige Notation auf zwei und vier Systemen        


5 Neben der Ausführung eines Tonsatzes für vierstimmig gemischten Chor wird auch die Darstellung im Klaviersatz angewendet. Dabei wird der Bass alleine im unteren System (ausgeführt durch die linke Hand) und die drei übrigen Stimmen im oberen System (ausgeführt durch die rechte Hand) notiert (Bsp. 1.-3).

Bsp. 1.-3: Vierstimmige Notation im Klaviersatz

    Vierstimmige Notation im Klaviersatz


Diese Praxis geht auf das Generalbass-Spiel zurück; daher auch die Bezeichnung „Generalbass-Satz“.

6 In jedem Falle werden die Taktstriche durch alle Systeme gezogen und der Beginn der Zeile mit einer Akkoladenklammer (oder Akkoladenbalken) versehen. Die so zusammengefassten Systeme heißen Akkolade.

Um Kollisionen mit dem unter die Noten zu setzenden Gesangstext zu vermeiden, können in diesem Fall die Taktstriche auch nur in den Systemen stehen.

7 Für die vier Stimmen gelten folgende Bezeichnungen:

Sopran = Oberstimme Sopran, Alt un Tenor = Oberstimmen
Bass = Unterstimme Alt, Tenor und Bass = Unterstimmen
Sopran und Bass = Außenstimmen
(Hauptstimmen)
Alt und Tenor = Mittelstimmen
(Nebenstimmen)

Eine weitere Möglichkeit die vier Stimmen zu unterscheiden, besteht darin sie von oben nach unten durchzunummerieren (Sopran: 1. Stimme, Alt: 2. Stimme …); den eigentlichen Stimmbezeichnungen ist aber der Vorzug zu geben.

 

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