B.5 Ohr und Hören

[18] Gehörphysiologie

Das Gehör ist der menschliche Sinn, der Schall wahrnimmt. Es besteht aus der Kopplung von Ohr und dem Hörzentrum des Gehirns.

Das Ohr hat im wesentlichen drei Funktionen:

Im Gehirn werden die über den Hörnerv ankommenden Reize verarbeitet.

Das Ohr wird in Außen-, Mittel- und Innenohr untergliedert:

Abb. [18]-1: schematischer Aufbau des Ohres

schematischer Aufbau des Ohres

Das Außenohr besteht aus der trichterförmigen Ohrmuschel und dem in das Innere des Kopfes führenden Gehörgang, der eine Länge (beim Erwachsenen) von 2,5-3,5 cm und einen Durchmesser von 6-8 mm hat. Die Ohrmuschel hat die Aufgabe den von außen kommenden Schall zu sammeln (Schalltrichter), der dann durch den Gehörgang zum Trommelfell weitergeleitet wird.

Physikalisch betrachtet stellt der Gehörgang einen Hohlraum-Resonator mit einer Eigenfrequenz von ca. 3 kHz dar.
Die im Gehörgang wachsenden Haare (Reusenhaare) schützen das Trommelfell.
Das Ohrenschmalz wird von besonders gestalteten Schweißdrüden erzeugt. Ein Ohrpfropf, der durch übermäßige Absonderung und Verhärtung von Ohrenschmalz entsteht, kann zu vorübergehender Taubheit und Schwindelerscheinungen führen.

Die Grenze zwischen Außen- und Mittelohr bildet das Trommelfell. Das Trommelfell ist eine trichterförmige Membran mit etwa 55 mm2 Fläche und 0,08-0,1 mm Dicke, die von den ankommenden Schallwellen in Schwingungen versetzt wird. Es ist ein Druckempfänger mit einer Eigenfrequenz von 100-1 500 Hz (Frequenzbereich der Sprache), der eine ausgezeichnete Dämpfung aufweist und eine reflexionsfreie Absorption des ankommenden Schall ermöglicht, da seine Schallkennimpedanz bei bestimmten Frequenzen dem der Luft entspricht.

Außer Luftschall kann durch Knochenleitung auch Körperschall wahrgenommen werden.

Das luftgefüllte Mittelohr ist ein Spalt von 2-5 mm Breite und 7-15 mm Höhe. In ihm befinden sich die Kette der drei Gehörknöchelchen, die den Schall vom Trommelfell auf das ovale Fenster übertragen (ossikuläre Schalleitung). Der Hammer setzt mit dem Hammerstiel am Trommelfell an und überträgt dessen Schwingungen über den Amboss auf den Steigbügel, der mit der Steigbügelplatte dem ovalen Fenster auf einer Fläche von 3,2 mm2 aufsitzt. Die drei Gehörknöchelchen bilden ein Hebelsystem mit einer Übersetzung von etwa 1:1,3, das die Aufgabe hat, Schwingungen mit großer Amplitude und kleinem Druck in solche mit kleiner Amplitude aber großem Druck umzuwandeln (Druckerhöhung um etwa 26,8 dB). Die unterschiedlichen Schallkennimpedanzen von Außenohr (Luft) und Innenohr (hauptsächlich Flüssigkeit) werden so einander angepaßt (Impedanztransformation).

Trommelfell und Gehörknöchelchen werden zu erzwungenen Schwingungen angeregt. Die Einschwingzeit beträgt ca. 0,25 Milisekunden. Die Verstärkung durch Trommelfell und Gehörknöchelchen beträgt ca. 1:22 (Das Flächenverhältnis Steigbügelplatte zu Trommelfell beträgt ca. 1:17. Verrechnet mit der Hebelübersetzung 1:1,3 ergibt das: 17 × 1,3 = 22,1).

Die zwei Muskeln des Mittelohrs (Spanner des Trommelfells und Steigbügelmuskel) haben verschiedene Aufgaben: Bei Erhöhung der Spannung werden hohe Frequenzen besser übertragen – Abschwächung niederfrequenten Schalls – Reduktion störender, vom Hörenden selbst erzeugter Geräusche – Gleichhaltung der Schallintensität – Abschwächung bestimmter Resonanzschwingungen. Auf diese Weise wird das Ohr vor Überlastung geschützt.

Durch knöcherne Verwachsung der Platte im Fenster (Otosklerose) entsteht Schwerhörigkeit.

Im Mittelohr mündet die ca. 3,5 cm lange Ohrtrompete, die dieses mit dem Nasen-Rachen-Raum verbindet und für Druckausgleich zwischen Mittel- und Außenohr sorgt.

Die Ohrtrompete ist normalerweise verschlossen und öffnet sich beim Schlucken oder Gähnen. Bei Schleimhautentzündungen kann die Ohrtrompete verstopfen, was zu vorübergehender Taubheit führt.

Im Mittelohr wird Luftschall optimal in Körperschall umgewandelt.

Ovales Fenster und rundes Fenster sind zwei Membrane und bilden die Grenze zwischen Mittel- und Innenohr.

Im Innenohr, das von der Felsenbeinpyramide des Schläfenbeins umschlossen wird, befinden sich zwei Sinnesorgane: die flüssigkeitsgefüllte ca. 3,5 cm lange Schnecke, die an den beiden Fenstern ansetzt und das Gleichgewichtsorgan. Beide Sinnesorgane werden vom VIII. Hirnnerven versorgt.

Die Schnecke ist ein spiralförmig ca. 2 ½ mal gewundener, nach innen sich verjüngender knöcherner Gang, der um die Schneckenspindel herumgelegt ist. Sie wird durch die Spiralleiste des Knochens und der an sie anschließenden Basilarmembran in zwei Hälften, die oben liegende Vorhoftreppe und die unten liegende Paukentreppe, die beide inkompressible Perilymphe enthalten, geteilt.

Die Basilarmembran hat am Schneckenanfang eine Breite von ca. 0,6 mm, am Schneckenende eine solche von ca. 0,2 mm. Die Reissnersche Membran setzt oberhalb der Basilarmembran an und teilt den oberen Schneckengang. Im dazwischenliegenden Teil, dem mit Endolymphe gefüllten Schneckengang liegt auf der Basilarmembran das Cortische Organ, das die ca. 3500 inneren und 20 000 äußeren Hörzellen (Haarzellen) enthält (die inneren Hörzellen sind empfindlicher für Schallpegel über ca. 60 dB). Über den Hörzellen liegt eine Deckplatte. An der Spitze der Schnecke liegt das Helicotrema, ein Loch, das die Vorhoftreppe mit der Paukentreppe verbindet. Im Innenohr wird Körperschall in Flüssigkeitsschall umgewandelt.

Abb. [18]-2: schematischer Schnitt durch eine Schneckenwindung

schematischer Schnitt durch eine Schneckenwindung

Beim Hörvorgang verursacht die Steigbügelplatte im ovalen Fenster hydraulische Druckwellen in der Perilymphe der Vorhoftreppe. Diese pflanzen sich als Wanderwelle (eine stehende dreidimensionale Welle in der Perilymphe) bis zum Helicotrema fort, wo sie in die Paukentreppe übergehen und bei der Rückkehr durch die Paukentreppe die Basilarmembran an von der Frequenz des Schalls abhängigen Orten senkrecht zur Ausbreitungsrichtung auslenken (Frequenz-Orts-Transformation). Dabei werden die Haarzellen verbogen und senden Aktionspotentiale (Nervenimpulse) aus, die durch den Schneckennerv weitergeleitet werden. Die Basilarmembran führt eine Fourier-Analyse aus.

An der Schneckenbasis werden höhere Frequenzen gehört, an der Schneckenspitze tiefere.

Die Wahrnehmung der Lautstärke hängt davon ab, wie viele Hörzellen erregt werden.

Die Nervenimpulse aus dem Cortischen Organ werden den Kernen in der Hörregion der Rautengrube zugeleitet. Durch die Hörschleife gelangen sie zu den subkortikalen Hörzentren der unteren Vierhügel und der inneren Kniekörper, den Reflexzentren des Hörens. Anschließend werden sie durch die Hörstrahlung zum Rindenzentrum des Hörens in der oberen Schläfenwindung (Henschel-Querwindungen des Gyrus temporalis superior) weitergeleitet.

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[19] Hörfläche

Unter Hörfläche versteht man den von Frequenz und Schalldruck bestimmten Bereich, in dem Schall für das menschliche Ohr wahrnehmbar ist.

Abb. [19]-1: Hörfläche mit Hörschwelle, Schmerzgrenze, Lästigkeitsgrenze und Isophonen (Kurven gleicher Lautstärke in phon)

Hörfläche

Die Untergrenze für wahrnehmbaren Schall liegt beim Menschen bei ca. 16 Hz, die Obergrenze (abhängig vom Alter) bei ca. 20 000 Hz.

Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die obere Hörgrenze nach unten: bei 35jährigen liegt sie nur noch bei ca. 15 kHz, bei 60jährigen bei ca. 5 000 Hz (Presbyakusis). Der Verlust von 15 kHz erscheint groß, ist aber nur ein relativ harmloser Verlust von zwei Oktaven, der die Sprachverständlichleit nicht und das Musikhören kaum beeinträchtigt.

Die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres für Frequenzen wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass das sichtbare Licht für das menschliche Auge lediglich eine „Oktave“ darstellt (Obergrenze des sichtbaren Lichts hat die doppelte Frequenz der Untergrenze), während das Ohr etwa 10 Oktaven wahrnehmen kann.

Der wichtigste Bereich des Hörfeldes sind die Frequenzen bis etwa 5 000 Hz. In diesen Bereich fallen die musikalisch nutzbaren Töne (c5 ca. 4100 Hz) und der Sprache. Die Partialtöne der hohen Oktaven allerdings liegen zum Teil weit darüber, so dass sich die Klangfarbenempfindung im Alter ändern kann.

Auch die Lautstärke (bestimmt durch den Schalldruckpegel) eines Schalls ist maßgeblich für die Wahrnehmbarkeit. Die Hörfläche wird dabei nach unten durch die Hörschwelle und nach oben durch die Schmerzschwelle begrenzt. Hör- und Schmerzschwelle sind frequenzabhängig.

Die Schmerzschwelle liegt bei ca. 120 dB (20 Pa).

Der beim Ohr eintreffende Schall, der Informationen übermittelt, wird Nutzschall genannt. Nicht zur Informationsübermittlung gehöriger Schall ist in dem Augenblick als Störschall zu bewerten. Durch den Störschall ändert sich die Hörschwelle, die dann als Mithörschwelle bezeichnet wird.

Unter Cocktail-Party-Effekt versteht man die Fähigkeit des menschlichen Gehörs eine bestimmte Stimme aus einem Stimmengewirr herauszuhören.

Das Maximum der Empfindlichkeit für Lautstärken liegt um 1-2 kHz. In diesem Bereich kann die größte Zahl von Lautstärkeunterschieden wahrgenommen werden.

Der Empfindungsverlauf des menschlichen Ohres ist etwa logarithmisch, d. h. die Reizempfindung steigt mit dem Logarithmus der Reizstärke. Eine Multiplikation der physikalischen Reizung führt zu Addition der tatsächlichen Empfindung (Weber-Fechnersches Gesetz).

Dementsprechend wird ein logarithmischer Maßstab (in Dezibel [dB]) für den Schalldruck verwendet. Der Bezugsschalldruck peff.,0 (geringster wahrnehmbarer Schalldruck – Hörschwelle bei 1 kHz) beträgt 2·10-5 Pa und hat eine Pegel von 0 dB (nach DIN 45 630).

Dieser Wert (ein Fünfmilliardstel des normalen Luftdrucks) ist unvorstellbar klein und macht deutlich, dass das Ohr das empfindlichste Sinnesorgan des Menschen ist. Wäre das Ohr für noch geringere Reize empfindlich, würde man die Wärmebewegung der Luftmoleküle (Brownsche Molekularbewegung) als Rauschen wahrnehmen können.

Die Lautstärkeempfindung ist abhängig von Schalldruck und Frequenz. Der Lautstärkepegel bezieht sich auf den Schalldruckpegel eines 1 kHz-Tons. Für alle anderen Frequenzen wird deren Lautstärke mit der des 1 kHz-Tons verglichen.

Formelzeichen:  LS  Einheit: Phon

LLJ    bei 1 kHz               LJ  :  Schallintensitätspegel [dB]

[19-1]       L= 40 + 33,2 lg S     S  :  Lautheit [sone]

Ein Unterschied von 1 Phon ist gerade noch wahrnehmbar. Wächst der Lautstärkepegel von 10 auf 20 Phon, hat sich die Schallintensität verzehnfacht. Zwei Schallquellen mit jeweils 80 Phon ergeben zusammen 83 (nicht 160!) Phon.

Bei 1 000 Hz sind die Werte für den Schalldruckpegel und Lautstärkepegel gleich.

Schallpegel werden nicht linear addiert! Erzeugen zwei Schallquellen jeweils denselben Schalldruck, erhöht sich der resultierende Schalldruckpegel lediglich um 3 dB. Entscheidend für die Größe des resultierenden Schalldruckpegels ist die Schallpegeldifferenz L der beiden Schalldruckpegel (L = L1 - L2 [L1 > L2]) und ein Schallpegelzuschlag LZ, der von der Größe der Schallpegeldifferenz abhängt.

L [dB]

 ⇒ 

LZ [dB]

0

3

0,5

2,8

1

2,5

1,5

2,3

2

2,1

2,5

1,9

3

1,8

3,5

1,6

4

1,5

4,5

1,3

5

1,2

5,5

1,1

6

1,0

6,5

0,9

7

0,8

8

0,6

9

0,5

10

0,4

12

0,3

14

0,2

16

0,1

≥ 20

0

Der Gesamtschallpegel LG für zwei Schallquellen beträgt dann: LG = L1 + LZ

[Beispiel] L1 = 70 dB; L2 = 60 dB. L = 10 dB ⇒ LZ = 0,4 dB. LG = 70 dB + 0,4 dB = 70,4 dB

            L1 = 70 dB; L2 = 70 dB. L = 0 dB ⇒ LZ = 3 dB. LG = 70 dB + 3 dB = 73 dB

Der A-bewertete Schallpegel (Maß: dB(A)) ist eine messtechnische Näherung für die Lautstärkeempfindung des menschlichen Ohres. Man vermeidet mit ihm komplizierte Phon-Messungen.

Der dynamische Bereich des menschlichen Ohrs ist extrem groß: das Hörvermögen erstreckt sich über 13 Intensitätsgrößenordnungen (Zehnerpotenzen) mit Amplituden zwischen 10-11 m (ein zehntel Atomradius) und 10 Mikrometern.

Das Erkennen der gespielten Lautstärke ist wesentlich von der dieser Lautstärke eigentümlichen Klangfarbe abhängig. So wird ein aufgenommener leise gespielter Ton immer noch als ein leiser Ton beurteilt, selbst wenn er mit größerer Lautstärke über Lautsprecher widergegeben wird.

Unter Dynamik versteht man das Verhältnis zwischen größter und kleinster vorkommender Schallintensität. Die Dynamik der Sprache beträgt ca. 50 dB, die eines Orchesters ca. 70 dB, die des menschlichen Ohrs 130 dB.

Je Abstandsverdopplung von der Schallquelle erfolgt eine Pegelabnahme von ca. 6 dB.

Das menschliche Ohr hat in der Hörfläche ein Unterscheidungsvermögen nach Tonhöhe und Lautstärke für ca. 300 000 verschiedene Schalleregnisse.

Die Lautheit S ist eine physiologische Größe zum subjektiven Vergleich von Schallquellen. Eine Verdopplung des Lautheitswertes entspricht einer Verdopplung der subjektiv wahrgenommenen Lautheit. Eine Verdopplung der Lautheit entspricht einer Änderung des Lautstärkepegels von 10 Phon.

Formelzeichen:  S  Einheit:  sone

[19-2]       S = 20,1(Ls -40) sone

Es ist (willkürlich) festgelegt worden, dass die Lautheit S = 1 sone der Lautstärke LS = 40 dB eines 1 kHz-Tons entspricht.

n Schallquellen, von denen jede eine Lautheit von m sone hat, haben eine totale Lautheit von (n + m) sone.

Abb. [19]-2: Zusammenhang zwischen Lautheit und Lautstärkepegel

Zusammenhang zwischen Lautheit und Lautstärkepegel

Unter Adaption versteht man die Anpassung des Gehörs an große Schallintensitäten (Hörermüdung). Nach intensiver Reizung durch große Schallintensitäten wird ein nachfolgendes Schallereignis bis ca. 10 Phon leiser empfunden. Bei länger andauernden Pegeln von über 90 db(A) tritt Lärmvertaubung ein. Töne langer Dauer und gleichbleibender Lautstärke scheinen leiser zu werden.

Die Frequenz einer Schwingung wird als Tonhöhe wahrgenommen: hohen Frequenzen entsprechen hohe Töne, tiefen Frequenzen tiefe Töne. Zur Feststellung der Frequenz (Tonkennzeit) sind nur wenige Perioden der Schwingung eines Tons nötig: ein 100 Hz-Ton wird nach ca. 11 Milllisekunden (etwas mehr als eine Periode), ein 1 kHz-Ton nach ca. 4 Millisekunden (vier Perioden) erkannt (Auflösungsvermögen [= Einschwingzeit des Gehörs]: 0,025-0,07 Sekunden [frequenzabhängig]).

Die (angeborene) Fähigkeit eine Tonhöhe unmittelbar (ohne Zuhilfenahme eines Vergleichstons) erkennen und benennen zu können nennt man absolutes Gehör (Langzeitgedächtnis für Tonhöhen). Die Fähigkeit Intervalle erkennen und benennen zu können nennt man relatives Gehör (Langzeitgedächtnis für Frequenzverhältnisse). Das relative Gehör ist trainierbar.

Grundlage der objektiven Tonhöhenfestlegung in der Musik ist die Oktave. Die subjektive Oktavempfindung hängt von der absoluten Höhe der beiden Töne ab: unterhalb von 500 Hz wird eine Frequenzverhältnis von 1:2 als Oktave empfunden; oberhalb von 500 Hz jedoch muß das Frequenzverhältnis kleiner werden (der obere Ton also höher) um das Empfinden einer Oktave hervorzurufen. Die subjektive Tonhöhenempfindung wird mit Tonheit bezeichnet.

Formelzeichen:  z  Einheit:   mel

Bis 500 Hz stimmen Frequenz (in Hz gemessen) und Tonheit überein; darüber gilt etwa:

1000

2000

4000

8000

Hz

850

1300

1750

2150

mel

Nach der Frequenz wären für das menschliche Ohr etwa zehn Oktaven wahrnehmbar, bezüglich der Tonheit sind es aber nur etwa sieben. Unterschiede von 4 mel nimmt das Gehör als eben merkliche Tonhöhenänderung wahr.

Auf der Basilarmembran entspricht eine Frequenzgruppe etwa einer Länge von 1,3 mm. Bei Erregung eines solchen Bereichs mit mehreren Frequenzen erfolgt eine gegenseitige Beeinflussung der Schallempfindung (Verdeckung, Schwebung). Bis 400 Hz umfaßt eine Frequenzgruppe ca. 70-90 Hz, darüber zunehmend größere Frequenzbereiche von etwa einer Terz. Einheit der Frequenzgruppen ist Bark. Der gesamte Hörbereich umfaßt ca. 24 Bark. 1 Bark entspricht 100 mel.

Der Frequenzindex ist das logarithmierte Verhältnis einer Frequenz zur Bezugsfrequenz f0 = 125 Hz.

Formelzeichen:  Fi  Einheit:  1  Maß:  oct

[19-3]       

Das Frequenzmaßintervall ist das logarithmierte Verhältnis zweier beliebiger Frequenzen f1 und f2 (f1 > f2).

Formelzeichen:  m Einheit:  1  Maß:  oct / terz / Savart / Millioktave / Cent / dec

[19-4]       m = ld (f1 / f2 ) oct
                   = 3 ld (f1 / f2) terz
                   = 300 ld (f1 / f2) Savart
                   = 1000 ld (f1 / f2) Millioktave
                   = 1200 ld (f1 / f2) Cent
                   = lg (f1 / f2) dec

Es ist:

1200 Cent = 1000 Millioktave = 300 Savart = 3 terz = 1 oct ca. 0,3 (lg 2) dec

1 dec = 3,32 oct = 3,32 · 3 terz = 3,32 · 300 Savart = 3,32 · 1000 Millioktave = 3,32 · 1200 Cent

Abb. [19]-3: Zusammenhang zwischen Tonheit [mel] und Frequenzgruppen [Bark] sowie zwischen Frequenz [Hz] und Frequenzindex [oct]

Zusammenhang zwischen Tonheit und Frequenzgruppen

Auflösungvermögen für Tonhöhenwahrnehmung: 0,002%. In der Oktave zwischen 1 und 2 kHz vermag das Ohr ca. 350 verschiedene Tonhöhen wahrzunehmen. Die Gesamtzahl der unterscheidbaren Töne beträgt ca. 1 300-1 500.

Die beim Musizieren auftretenden Abweichungen von den durch ein Tonsystem festgelegten Tonhöhen werden zwar wahrgenommen, aber vom Gehör in gewissen Grenzen korrigiert. Dieses Phänomen bezeichnet man als Zurechthören.

Tiefe Töne scheinen mit steigender Lautstärke zu fallen, während hohe Tone zu steigen scheinen.

Das Ohmsche Gesetz der Akustik besagt, dass das menschliche Gehör Geräusche und Tongemische (nicht jedoch Knalle und andere nichtperiodische Vorgänge) wie bei der Fourier-Analyse nach Frequenz und Amplitude der einzelnen Teiltöne ohne Berücksichtigung der Phasenunterschiede zerlegt. Die Gesamtempfindung ist die Klangfarbe, zu deren Beurteilung und Erkennbarkeit die Ausgleichsvorgänge (Ein- und Ausschwingvorgänge) hinzukommen und wesentlich beitragen.

Unter Formanten versteht man Frequenzbereiche mit erhöhter Energiedichte, in denen die Partialtöne besonders hervortreten. Durch sie wird die spezifische Klangfarbe von Instrumental- und Vokaltönen wesentlich bestimmt. Die Lage der Formanten ist unabhängig von der Frequenz des Klangs (Tonhöhe). Sie haben die Breite etwa einer Quinte. Die Formanten werden durch Resonanzen in der Schallquelle hervorgerufen. Die Vokale der menschlichen Sprache werden durch ihre unterschiedlichen Formanten unterscheidbar. Jeder Vokal hat mindestens drei Formanten.

Abb. [19]-4: Formanten der Vokale (oben Phoneme, unten Graphme)

Formanten der Vokale

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[20] Kombinationstöne

Wenn zwei Töne (Primärtöne) verschiedener Frequenz und genügender Lautstärke gleichzeitig erklingen, entstehen im Innenohr Kombinationstöne als Summationstöne und Differenztöne.

Differenztöne (die am ehesten wahrnehmbar sind) haben Frequenzen, die den Differenzen der Primärtöne und deren Vielfachen entsprechen. Je nachdem welche Frequenzen beteiligt sind, spricht man von Differenztönen verschiedener Ordnung:

Differenzton erster Ordnung (D11):

 f1 - f2 (f1 < f2)

Differenzton zweiter Ordnung (D21Tartini-Ton“):

 2 f2 - f1

Differenzton dritter Ordnung (D32):

 3 f2 - 2 f1

u.s.f.

Abb. [20]-1: Differenztöne 1., 2. und 3. Ordnung

Differenztöne

Summationstöne haben Frequenzen, die den Summen der Primärtöne und deren Vielfachen entsprechen.

Erklingen zwei oder mehr Töne, deren Frequenzen denen benachbarter Partialtöne eines bestimmten Tons entsprechen, so kann der in Wirklichkeit nicht erklingende Grundton wahrgenommen werden. Dieses Phänomen bezeichnet man als Residual-Effekt. Die Ursache dafür liegt darin begründet, dass die Resultierende eine Wellenlänge hat, die der des Grundtons entspricht. Das Ohr interpretiert auch diese Wellenlänge als Ton.

In Orgelbau wird der Residual-Effekt dazu genutzt tiefe Register, die baulich viel Platz benötigen, durch zwei Register zu ersetzen, die im Quintabstand stehen. Ein Ton mit diesen beiden Registern gespielt entspricht dem zweiten und dritten Partialton des Tons eine Oktave unter dem tieferen Ton. Ein 16'-Register kombiniert mit einem 102/3'-Register erweckt den Eindruck eines 32'-Registers („akustischer 32'“).

Es gibt mindestens vier konkurrierende Hörtheorien:

Die Resonanztheorie (Einorttheorie) stammt von Hermann von Helmholtz. Er vermutete, dass bestimmte Haarzellen auf bestimmte Frequenzen reagieren; jeder Tonhöhe sei also eine Haarzelle zugeordnet. Diese Theorie wurde durch die Beobachtung widerlegt, dass die Basilarmembran nicht nur an bestimmten Stellen, sondern fast immer vollständig schwingt.

Die von William Rutherford formulierte Frequenztheorie (zeitliche Theorie) besagt, dass alle Haarzellen gleichermaßen die Frequenz des Schalls in Nervenimpulse gleicher Frequenz umwandeln. Dem steht allerdings entgegen, dass eine Nervenzelle allein auf keinen Fall mehr als 1000 Impulse je Sekunde abgeben kann.

Die Salventheorie, die 1949 von E. G. Wever aufgestellt wurde, besagt, dass mehrere Haarzellen im Frequenzbereich unter 5 kHz synchronisiert Impulssalven abfeuern.

Georg von Békésy zeigte durch stroboskopische Beleuchtung der Basilarmembran, dass Schall im Innenohr als Wanderwelle die Basilarmembran durchläuft. Die Stelle der größten Auslenkung auf der Basilarmembran entspricht der Frequenz des Schalls. Dieser Ansatz wird Dispersionstheorie genannt.

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[21] Richtungshören

Das Gehör ist in der Lage, Richtung und Entfernung einer Schallquelle festzustellen. Die beiden Ohren des Menschen versetzen ihn in die Lage stereophon zu hören. Das bedeutet, dass die Signale einer Schallquelle von den Ohren jeweils unterschiedlich wahrgenommen werden. Das Gehirn verrechnet die beiden unterschiedlichen Schalleindrücke zu einem Gesamteindruck und interpretiert diesen im Hinblick auf die Qualität der Schallquelle(n).

Die Zeit, die der Schall braucht, um von der Quelle zum Ohr zu gelangen, heißt Laufzeit. Der Unterschied der Laufzeiten zu den beiden Ohren (Laufzeitdifferenz) und die Lautstärkedifferenz des Schalleindrucks im rechten und linken Ohr, sind die wesentlichen Faktoren, die die horizontale Ortung ermöglichen. Genauigkeit: ca. 3°

Für das Abschätzen der Distanz spielen der Unterschied zwischen gehörter und vermuteter Lautstärke einer Schallquelle sowie Unterschiede zwischen direktem und indirektem (reflektierem) Schall eine Rolle.

Kopfform und Form der Ohrmuscheln bewirken Abschattungseffekte, die dem vertikalen Ortung dienen.

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[22] Höranomalien

Die Empfindlichkeit für bestimmte Frequenzbereiche wird durch übermäßige Beschallung in diesem Frequenzbereich (unter Umständen bis zum vollständigen Verlust) eingeschränkt (Innenohr- oder Perzeptionsschwerhörigkeit). Die Hörzellen verklumpen. Hierbei ist sowohl die Wahrnehmung des Luftschalls, als auch die des Körperschalls durch Knochenleitung beeinträchtigt.

Zur Vorbeugung eines solchen Hörschadens sollte bei Tätigkeiten, die mit großen Lautstärken verbunden sind, Gehörschutz getragen werden.

Krankheit, Lärm und Alter verursachen eine Hörschwellenverschiebung. Die durch Lärm verursachte Anpassung des Gehörs ruft eine vorübergehende Hörschwellenverschiebung hervor (TTS = Temporary Treshold Shift). Sie läßt nach ca. 24 Stunden nach. Sehr starker Lärm verursacht eine irreparable ständige Verschiebung der Hörschwelle (PTS = Permanent Treshold Shift).

Bei Schwerhörigkeit nur für Luftschall liegt ein Schaden im Mittelohr vor (Mittelohr- oder Schalleitungsschwerhörigkeit).

Die Perforation des Trommelfells (oft bei Mittelohrentzündung) führt zu einer Verminderung der Ohrempfindlichkeit.

Die als Tinnitus bezeichneten Ohrgeräusche (Rauschen, Pfeifen, Rattern, Brummen etc.) werden durch Fehlerregung geschädigter Hörsinneszellen verursacht.

Die Ursache für Ohrensausen sind häufig Durchblutungsstörungen.

Beim Weberschen Versuch wird der Griff einer angeschlagenen Stimmgabel mittig auf die Schädeldecke gesetzt. Bei gesunden Ohren wird die Schallquelle in der Mitte geortet. Bei einseitiger Leitungsschwerhörigkeit wird der Ton mehr in Richtung des kranken Ohres lokalisiert. Bei Innenohrschwerhörigkeit wird der Ton dagegen mehr in Richtung gesundes Ohr wahrgenommen.

Bei Diplakusis werden mehrere unterschiedliche Tonhöhen wahrgenommen, obwohl die Schallquelle nur eine Tonhöhe abstrahlt. Bei der binauralen Diplakusis unterscheidet sich die Tonhöhenempfindung auf beiden Ohren; bei der monauralen Diplakusis ruft eine Tonhöhe der Schallquelle mehrere Tonhöhenempfidungen oder Geräusche auf einem Ohr hervor.

Unter Lärm ist jede Art von Schall zu verstehen, die ungewollt und störend auf den Menschen einwirkt.

Lärm ruft je nach Schallintensität, Frequenzzusammensetzung und Dauer physische und psychische Reaktionen aus. Man unterscheidet vier Arten von Lärmreaktionen:

Nach der TALärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) sollen die angegebenen Lautstärken von Dauerlärm nicht überschritten werden:

bei Arbeiten, die hohes Konzentrationsvermögen und ständige intensive Denkarbeit erfordern  

55 dB(A)

bei Arbeiten, bei denen gute Sprachverständlichkeit erforderlich ist

70 dB(A)

Obergrenze der Lärmbelastung am Arbeitsplatz

85 dB(A)

Ab 85 dB(A) muß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer persönliche Schallschutzmittel zur Verfügung stellen.

Zulässige Geräuschpegel nach der TALärm sind je nach Gebiet (in dB(A)):

tags

nachts

nur Industrie

70

70

vorwiegend Gewerbe

65

50

Mischgebiet

60

45

vorwiegend Wohnungen

55

40

nur Wohnungen

50

35

Kurgebiete

45

35

baulich verbunden (innen)

40

30

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