Allgemein bedeutet „Verkürzen“ das Weglassen des Grundtons eines Akkordes. Dies geschieht aber (meist) nur bei Formen der Dominante mit mehr als drei Tönen.
In der Funktionstheorie wird das Verkürzen einer Funktion mit Durchstreichen des Funktionssymbols dargestellt. Die Stufentheorie kennt diese Sichtweise nicht; es werden immer nur die tatsächlich vorhandenen (und erklingenden) Akkordtöne betrachtet.
1 Der verkürzte D7 (D7) ist ein verminderter Dreiklang, der leitereigen in Dur und harmonischem Moll auf der 7 steht. Er besteht aus Terz, Quinte und Septime des D7.
Bsp. 7.3.1.-1: verkürzter Dominantseptakkord
Diese Bezeichnung der Töne (die ihrer Bedeutung entspricht) unterscheidet sich von der Benennung in Stufentheorie und Generalbass. Dort wird der D7 (rein rechnerisch) als Dreiklang mit den Tönen Grundton, Terz und Quinte aufgefasst.
Da es sich um einen Dreiklang handelt, stellt sich die Frage der Verdopplung im vierstimmigen Satz. Die historische Praxis verwendete D7 fast ausschließlich mit Quinte im Bass (nach Generalbass-Verständnis also als Sextakkord). Daher wurde regelrecht der Basston (also die Quinte) verdoppelt. Die Terz (= Leitton) wird nicht verdoppelt. Die Septime kann verdoppelt werden (obwohl sie Strebeton ist, nach Generalbassverständnis allerdings 3– über dem Basston).
Stimmführungsbesonderheiten bei 2x5 und Auflösung in die grundstellige Tonika:
Bsp. 7.3.1.-2a: In Terzlage wird die D7 irregulär aufwärts geführt (7), um eine vollständig T zu erreichen. („Tasteninstrument-Auflösung“)
Bsp. 7.3.1.-2b: In Quintlage springt die D3 in die T5 (3ß), um die offene Quintenparallele (vermindert-rein) zu vermeiden.
Bsp. 7.3.1.-2c: In der Septlage geschieht dasselbe, um eine vollständige T zu erhalten.
Bsp. 7.3.1.-2: verkürzter Dominantseptakkord mit Quintverdopplung
und Auflösung in Tonika-Grundstellung
(a) Terzlage - (b) Quintlage - (c) Septlage
Da die Quinte als Ruheton im Bass keine Strebetendenz hat, kann auch eine Auflösung in die T mit Terzbass erfolgen.
Stimmführungsbesonderheiten bei 2x5 und Auflösung in die T mit Terzbass:
Bsp. 7.3.1.-3a und b: in Terz- und Quintlage steigt die D7; in Quintlage springt D3 ab.
Bsp. 7.3.1.-3c: In der Septlage springt die D3 ab. Die T erscheint entweder mit 2x5 oder 2x3.
Bsp. 7.3.1.-3: verkürzter Dominantseptakkord mit Quintverdopplung
und Auflösung in Tonika-Sextakkord
(a) Terzlage - (b) Quintlage - (c) Septlage
Bsp. 7.3.1.-4a: Bei 2x7 wird bei Auflösung in die grundstellige T die eine regulär abwärts, die andere irregulär aufwärts geführt.
Bsp. 7.3.1.-4b: In der Septlage springt D3 ab, um die ||vr zu vermeiden.
Bsp. 7.3.1.-4: verkürzter Dominantseptakkord mit Septverdopplung
und Auflösung in grundstellige Tonika
(a) Terzlage - (b) Septlage
Auch bei Septverdopplung ist eine Auflösung in den T mit Terzbass möglich.
Bsp. 7.3.1.-5b: eine Besonderheit ist bei der Septlage zu beobachten: wird D7 in der Oberstimme irregulär zur T5 geführt, muss D3 abspringen, um die ||vr zu vermeiden. Dann aber darf die andere D7 nicht zur T3, sondern zum T1 abspringen (7⇓), da die T ansonsten keinen Grundton hätte. Bei regulärer Auflösung der D7 in der Oberstimme entsteht dieses Problem nicht, allerdings erscheint dann die T mit 2x3.
Bsp. 7.3.1.-5: verkürzter Dominantseptakkord mit Septverdopplung
und Auflösung in Tonika mit Terzbass
(a) Terzlage - (b) Septlage
Andere Auflösungsvarianten sind möglich.
2 Der D7 kann auch mit Terzbass verwendet werden.
Diese Stellung wird im Generalbass und in der Stufentheorie als Grundstellung erachtet.
In den Mittelstimmen sind irreguläre Stimmführungen nötig, um 2x3 der T (Bsp. 7.3.1.-6a und b: springende Quinte), offene Parallelen (Bsp. 7.3.1.-6c: steigende Septime) oder Kombinationen davon (Bsp. 7.3.1.-6d: abspringende Septime und springende Quinte) zu vermeiden.
Bsp. 7.3.1.-6: verkürzter Dominantseptakkord mit Terzbass und Auflösung
mit doppelter Quinte in (a) Quintlage - (b) Septlage
mit doppelter Septime in (c) Quintlage - (d) Septlage
3 Der D7 mit Septbass führt bei regulärer Auflösung zur T mit Terzbass.
Diese Stellung wird im Generalbass und in der Stufentheorie als Quartsextakkord erachtet.
In den Mittelstimmen sind irreguläre Stimmführungen nötig, um 2x3 der T (Bsp. 7.3.1.-7a: springende Quinte), fehlende T5 (Bsp. 7.3.1.-7b: abspringender Leitton), offene Parallelen (Bsp. 7.3.1.-7c: steigende Septime; Bsp. 7.3.1.-7e: abspringender Leitton) oder Kombinationen davon (Bsp. 7.3.1.-7d) zu vermeiden. (Kleine schwarze Notenköpfe in Bsp. 7.3.1.-7 zeigen alternative Stimmführung)
Bsp. 7.3.1.-7: verkürzter Dominantseptakkord mit Septbass und Auflösung
mit doppelter Quinte in (a) Terzlage – (b) Quintlage;
mit doppelter Septime in (c) Terzlage – (d) Quintlage – (e) Septlage
Der verkürzte Dominantnonakkord tritt in zwei Arten auf:
Bsp. 7.3.2.-1: verkürzter großer Dominantnonakkord
Bsp. 7.3.2.-2: verkürzter kleiner Dominantnonakkord (verminderter Septakkord)
Der verkürzte Dominantnonakkord löst sich primär quintfällig in die T auf.
D3, D7 und D9 sind Strebetöne, die in den Außenstimmen regulär aufgelöst werden (D3↑T1, D7↓T3, D9↓T5).
D5 als einziger Ruheton schreitet entweder zur T3 (dann erscheint die T mit 2x3, Bsp. 7.3.2.-3a: geschlossener Notenkopf) oder zur T1 (dabei Gefahr von ||5, wenn die D9 über der D5 liegt). Um 2x3 und ||5 zu vermeiden kann die D5 auch zur T5 springen (Bsp. 7.3.2.-3c).
Am günstigsten verbindet sich der D9 mit Terzbass in Septlage mit der T, wenn in den Mittelstimmen die D5 über der D9 liegt (Bsp. 7.3.2.-3b).
Bsp. 7.3.2.-3: verkürzter Dominantnonakkord mit Terzbass und Auflösung
(a) Quintlage - (b) Septlage - (c) Nonlage
D5 im Bass schreitet immer zu T1 oder T3 (Bsp. 7.3.2.-4).
Bei D5 im Bass und Auflösung in grundstellige T (Bsp. 7.3.2.-4a1/b1/c1) springt D9 aufwärts in den T1. In Sept- und Nonlage springt D3 in die T5 ab, um die T vollständig zu erhalten.
Bei D5 im Bass und Auflösung in den T mit Terzbass springt D7 ab zum T1 (um 2x3 in der T zu vermeiden; der irreguläre Schritt aufwärts führt zu ||vr, wenn D3 darunter liegt Bsp. 7.3.2.-4c2).
Bsp. 7.3.2.-4: verkürzter Dominantnonakkord mit Quintbass und Auflösung
(a1, a2) Terzlage - (b1, b2) Septlage - (c1, c2) Nonlage
Der verkürzte Dominantnonakkord mit Septbass wird entweder aufgelöst in
In beiden Fällen ist die Stimmführung unproblematisch.
Bsp. 7.3.2.-5: verkürzter Dominantnonakkord mit Septbass und Auflösung
(a1, a2) Terzlage - (b1, b2) Quintlage - (c1, c2) Nonlage
Der verkürzte Dominantnonakkord mit Nonbass führt bei der Auflösung zur T mit Quintbass, der dann meist Durchgangsquartsextakkord ist. Die Deutung des Auflösungsklangs als Dominantvorhaltquartsextakkord ist eher unwahrscheinlich, da sich in diesem Falle die D in eine andere Form (schwächere) der D auflösen würde.
Die alternative Auflösung in Bsp. 7.3.2.-6b ist ungünstiger, da sich alle Stimmen abwärts bewegen.
Bsp. 7.3.2.-6: verkürzter Dominantnonakkord mit Nonbass und Auflösung
(a) Terzlage - (b) Quintlage - (c) Septlage
Alterierbare Töne der Dominante sind
Terz (tief), Quinte (hoch und tief), Septime (hoch und tief), None (hoch), Undezime (hoch)
Am häufigsten findet eine Alteration der Quinte statt. Seltener sind Alterationen der Septime, None, Terz und/oder Undezime.
Die D5 kann sowohl hoch- als auch tiefalteriert werden.
Der Dominantdreiklang mit tiefalterierter Quinte ist ein dur-verminderter Dreiklang (→ 2.2.3.2.).
Der Dominantdreiklang mit hochalterierter Quinte ist ein übermäßiger Dreiklang (→ 2.2.1.4.).
Beide kommen leitereigen auf der 5 nicht vor.
Im harmonischen Mol steht auf der 3 ein übermäßiger Dreiklang. In der 1. Umstellung gelangt dessen Akkord-3 (= D5) in den Bass, so dass er als Dominante mit kleiner Sexte statt Quinte funktioniert.
Bsp. 7.4.1.1.-1: Dominantdreiklang mit alterierter Quinte
Bei den Umstellungen der quintalterierten D wirkt es günstig, wenn die beiden Strebetöne in den Außenstimmen liegen (Bsp. 7.4.1.1.-2a2/3 und b2/3).
Der verdoppelte D1 des D5> springt zur T3, da diese nicht mehr von D5> aus erreicht werden kann. Sie wird als künstlicher Gleitton zur T1 aufgelöst.
Bsp. 7.4.1.1.-2a3: Bei der 2. Umstellung des D5> (5> im Bass) entsteht ein übermäßiger Quartsextakkord (die übrigen Akkordtöne liegen eine übermäßige Quarte bzw. übermäßige Sexte über dem Basston).
Die Auflösung des D5< erfolgt primär in die Dur-Tonika (D5< ist künstlicher Leitton zur T3+). Eine Auflösung zur Moll-Tonika wirkt trugschlüssig, da D5< nicht leittönig aufgelöst wird, sondern enharmonisch verwechselt zur T3– wird (enharmonische Ligatur).
Der verdoppelt D1 des D5< bleibt liegen und wird T5. Bei den Umstellungen des D5< können beide D1 liegen bleiben oder aber eine D1 springt zu T1, um 2x5 der T zu vermeiden (Bsp. 7.4.1.1.-2b2/3, kleine Notenköpfe).
Bsp. 7.4.1.1.-2: Alteration der Quinte beim Dominantdreiklang mit Auflösung
1 Beim Dominantseptakkord mit tiefalterierter Quinte handelt es sich um einen kleinen dur-verminderten Septakkord (→ 2.3.3.2.). In seiner verkürzten Form ist er ein doppelt verminderter Dreiklang (→ 2.2.3.1.).
2 Beim Dominantseptakkord mit hochalterierter Quinte handelt es sich um einen kleinen übermäßigen Septakkord (→ 2.3.3.1.). In seiner verkürzten Form ist er ein dur-verminderter Dreiklang (→ 2.2.3.2.).
Bsp. 7.4.1.2.-1: Dominantseptakkorde mit alterierter Quinte
(a) als Septakkord – (b) verkürzt
Die reguläre Auflösung des D75> erfolgt in eine unvollständige T, die der Umstellungen in eine vollständige T (wie bei D7).
Bsp. 7.4.1.2.-2a3: die 2. Umstellung des D75> (mit 5> im Bass) ist die günstigste und ergibt einen übermäßigen Terzquartakkord (die übrigen Akkordtöne liegen eine große Terz, übermäßige Quarte und übermäßige Sexte über dem Basston, meist in doppeldomiantischer Verwendung, dann auch französischer Sextakkord oder French Sixth genannt).
Die Auflösung des D75< erfolgt primär in die Dur-Tonika (D5< ist künstlicher Leitton zur T3+). Eine Auflösung zur Moll-Tonika wirkt trugschlüssig, da D5< nicht leittönig aufgelöst wird, sondern enharmonisch verwechselt zur T3– wird (enharmonische Ligatur).
Da D5< zur T3 aufgelöst wird, kann die D7 irregulär nach oben geführt werden, um 2x3 der T zu vermeiden (Bsp. 7.4.1.2.-2b1-3).
Bsp. 7.4.1.2.-2b1: Bei grundstelligem D75< springt D3 zur T5, wenn die D7 regulär zur doppelten T3 aufgelöst wird.
Bsp. 7.4.1.2.-2: Alteration der Quinte beim Dominantseptakkord mit Auflösung
Um ||vr zu vermeiden, kann die D7 des verkürzten quintalterierten D7 außergewöhnlich zur T1 springen (Bsp. 7.4.1.2.-3a1/3 und b1/3). Die ||vr treten nur auf, wenn D7 über D3 liegt.
Bsp. 7.4.1.2.-3a2: Der D75> mit 5> im Bass ist besonders günstig und ergibt einen übermäßigen Sextakkord (die übrigen Akkordtöne liegen eine große Terz und übermäßige Sexte über dem Basston, meist in doppeldomiantischer Verwendung, dann auch italienischer Sextakkord oder Italian Sixth genannt).
Bsp. 7.4.1.2.-3b3: Bei D75< mit 5> im Bass entsteht ein übermäßiger Quartsextakkord (die übrigen Akkordtöne liegen eine übermäßige Quarte bzw. übermäßige Sexte über dem Basston). Die 2x3 der T ist hier unvermeidlich, da Strebetöne in den Außenstimmen regulär zu führen sind.
Bsp. 7.4.1.2.-3: Alteration der Quinte beim verkürzten Dominantseptakkord mit Auflösung
1 Da der Dominantnonakkord (vor allem der kleine) schon sehr dissonant ist, wird er meist nicht noch zusätzlich alteriert. Er ist nur fünfstimmig darstellbar, da auf die alterierte Quinte nicht verzichtet werden kann.
2 Die verkürzten Formen sind Septakkorde:
D95> ist ein kleiner doppelt verminderter Septakkord (→ 2.3.3.3.)
Dv5> ist ein verminderter doppelt verminderter Septakkord (→ 2.3.3.5.)
D95< ist ein kleiner dur-verminderter Septakkord (→ 2.3.3.2.)
Dv5< ist ein verminderter dur-verminderter Septakkord (→ 2.3.3.6.)
Bsp. 7.4.1.3.-1: Dominantnonakkorde mit alterierter Quinte
(a) als Nonakkorde – (b) verkürzt
Bsp. 7.4.1.3.-2: Tiefalteration der Quinte beim Dominantnonakkord mit Auflösung
Bsp. 7.4.1.3.-3: Hochalteration der Quinte beim Dominantnonakkord mit Auflösung
3 Alterationen kommen beim verkürzten Dominantnonakkord sehr häufig vor.
Günstig ist beim quintalterierten verkürzten Dominantnonakkord das Setzen von Strebetönen entgegen gesetzter Tendenz in die Außenstimmen. D9– im Bass führt zur T mit Quintbass, der im Kontext meist Durchgangsquartsextakkord ist.
Bsp. 7.4.1.3-4a2: Der D75> tritt meist als 2.D auf, am häufigsten mit 5> im Bass; es handelt sich dann um einen doppelt übermäßigen Quintsextakkord (die übrigen Akkordtöne liegen eine große Terz, übermäßige Quinte und übermäßige Sexte über dem Bass). Bei der Auflösung zur T kann die D9– irregulär zum T1 springen, um ||5 („Mozart-Quinten“) zu vermeiden (Bsp. 7.4.1.3.-4a2). Diese ||5 lassen sich bei Umstellungen vermeiden, indem D5> über D9– liegt.
Bsp. 7.4.1.3.-4b3: Der D75< mit Septbass führt zur T mit 2x3 in den Außenstimmen. Diese Wendung kommt auffällig in „Till Eulenspiegels op.28“ von Richard Strauss vor, weshalb der Akkord in dieser Stellung „Eulenspiegel-Akkord“ genannt wird (Bsp. 7.4.1.3.-5).
Bsp. 7.4.1.3.-4: Alteration der Quinte beim verkürzten Dominantnonakkord mit Auflösung
Bsp. 7.4.1.3.-5: verkürzter kleiner Dominantnonakkord mit hochalterierter Quinte bei
Richard Strauss: Till Eulenspiegel op.28
1 In Dominantundezimakkorden wird auch bei Alteration meist die Terz weggelassen (kleiner Notenkopf in Bsp. 7.4.1.4.-1).
Bsp. 7.4.1.4.-1a…: D11 kollidiert mit D3, der Grund, weshalb D3 meist fehlt; ebenso kollidiert D5> mit D11.
Bsp. 7.4.1.4.-1b1/2: enharmonische Alteration (D5> = D11<)
Bsp. 7.4.1.4.-1b3: am besten verwendbar; Ganztonleiter (ob D11< oder D5> vorliegt, entscheidet der Kontext [Auflösung])
Bsp. 7.4.1.4.-1: Alteration der Quinte beim Dominantundezimakkord mit
(a) reiner Undezime – (b) übermäßiger Undezime
2 Eine Verkürzung ist nur möglich, wenn D3 vorhanden ist, sonst entstehen Formen, die Septakkorde der II sind.
1 Alteration der Quinte bei Dominanttredezimakkorden ist vierstimmig nicht darstellbar; selbst die verkürzte Form erfordert fünf Stimmen (bei Wegfall der Undezime). Dominanttredezimakkorde sind wegen der Größe der Tredezime entweder in Dur oder in Moll angesiedelt. Daher sind nicht alle Kombinationen mit alterierten Quinten plausibel.
Bsp. 7.4.1.5.-1: Alteration der Quinte beim Dominanttredezimakkord mit
(a) großer Tredezime – (b) kleiner Tredezime
Bsp. 7.4.1.5.-1a1: mit enharmonisch zur D11< verwechselten D5> als „Mystischer Akkord“ Aleksandr Skrjabins bekannt.
Bsp. 7.4.1.5.-1a3 und a4: Die D5< kollidiert mit der D13+.
Bsp. 7.4.1.5.-1b1 und b3: Das Zusammentreffen der D13– (leitereigen in Moll) mit der D9+ (leitereigen in Dur) ist eher unwahrscheinlich; außerdem ist die tiefalterierte Septime +.
Bsp. 7.4.1.5.-1b3 und b4: Die D5< ist enharmonisch identisch mit der D13–
Sinnvoll erscheinen also a1, a2 und b2.
Bsp. 7.4.1.5.-2: „Mystischer Akkord“ (Skrjabin)
Der Akkord, den Aleksandr Skrjabin 1911 zur Grundlage seines „Prométhée“ („Le poème du feu“) op.60 gemacht hat, ist als Quartenakkord notiert (Bsp. 7.4.1.5.-2a). Es handelt sich allerdings nicht um einen echten Quartenakkord, da die Quarte fis – b vermindert ist. Vielmehr handelt es sich um einen Dominanttredezimakkord mit tiefalterierter Quinte (Bsp. 57.4.1.5.-2b).
1 Die D7 kann sowohl hoch- als auch tiefalteriert werden.
Bsp. 7.4.2.-1: Dominante mit alterierter Septime
(a) als Septakkord – (b) verkürzt
2 Die Dominante mit hochalterierter Septime ist ein großer Dur-Septakkord (→ 2.3.1.3.). Die verkürzte Form ist ein Moll-Dreiklang (→ 2.2.1.2.) und kann als Dg gedeutet werden.
Die Dominante mit tiefalterierter Septime ist ein verminderter Dur-Septakkord (→ 2.3.3.8.). Die verkürzte Form ist ein dur-verminderter Dreiklang (→ 2.2.3.2.).
3 Alteration der Septime in Dominantonakkorden ist mit Einschränkungen möglich.
Bsp. 7.4.2.-2: Dominantnonakkorde mit alterierter Septime
Bsp. 7.4.2.-2a2: zwei künstliche Leittöne zur T5; D3 wird irregulär zur T3 geführt, da die Auflösung in T1 ||5 mit der Auflösung der D7< zur T5 ergibt.
Bsp. 7.4.2.-2b1 ist in Dur eher unwahrscheinlich, da die D7> zur t aufgelöst wird.
4 Dominanttredezimakkorde sind wegen der Größe der Tredezime entweder in Dur oder in Moll angesiedelt. Daher sind nicht alle Kombinationen mit alterierten Septimen plausibel.
Bsp. 7.4.2.-3: Dominanttredezimakkorde mit alterierter Septime
Bsp. 7.4.2.-3a3 und a4: Das Zusammentreffen der D13+ (leitereigen in Dur) mit der D7> (leitereigen in Moll) ist unwahrscheinlich; außerdem ist die D7> enharmonisch identisch mit der D13+.
Bsp. 7.4.2.-3b1 und b3: Die D9+ ist anders als D13– und D7> leitereigen in Dur.
Sinnvoll erscheinen also a1, a2, b2 und b4.
1 Die große Dominantnone (D9+) kann hochalteriert werden.
Die D9< ist künstlicher Leitton zur T7+. Die Auflösung zur T mit hinzugefügter großer Septime ist in der Popularmusik häufig anzutreffen.
Bsp. 7.4.3.-1: Dominantseptakkord mit hochalterierter None
2 Die Dominantterz (D3) kann tiefalteriert werden. Der resultierende Klang heißt Doppelterz-Fünfklang (D73–), da gleichzeitig Dur- und Mollterz erklingen.
Die D3– ist künstlicher Leitton zur T6. Die Auflösung zur T mit hinzugefügter großer Sexte ist in der Popularmusik häufig anzutreffen. Die Durchmischung von Dur und Moll sind vor allem für den Blues und den daraus entstandenen Musikstilen typisch.
Bsp. 7.4.3.-2: Doppelterz-Fünfklang
3 D9< und D3– sind enharmonisch identisch: D9< … D73–. Welche Deutung vorliegt, muss der harmonische Kontext entscheiden.
Die Undezime kann nur hochalteriert werden. Einzelheiten → 7.2.3.
Mehrere alterierbare Töne können zugleich alteriert auftreten. Dadurch wird die Strebigkeit der Dominante extrem gesteigert.
Kombinationen zweier Alterationen sind:
Nicht alle Kombinationen sind gleichermaßen plausibel. Hauptgrund ist die Tatsache, dass die Anwendbarkeit der Alterationen in Dur und Moll unterschiedlich ist. So schließen sich 5< (nur in Dur sinnvoll) und 7> (nur in Moll sinnvoll) aus. Darüber hinaus ist die tiefalterierte Terz in Moll, die hochalterierte None in Dur anzusiedeln.
Zwei sinnvolle Alterationen bei Septakkorden sind:
D7+5< (Dur), D7>5> (Moll) sowie D7+5> (Dur und Moll) und deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.1.-1: Zwei Alterationen bei Dominantseptakkorden
Bsp. 7.4.5.1.-1a2: Die verkürzte Dominante mit hochalterierter Quinte und hochalterierter Septime ist ein Dur-Dreiklang und kann im Sinne einer entfernten Terzverwandtschaft als DG gedeutet werden.
Bei Nonakkorden entscheidet die Größe der None über die Zugehörigkeit nach Dur (9+) oder Moll (9–). Plausibel erscheinen daher:
D97+5> und D97+5< (Dur) sowie D9–7>5> und D9–7+5> (Moll) und deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.1.-2: Zwei Alterationen bei kleinen und großen Dominantnonakkorden
Bsp. 7.4.5.1.-2b2: Der verkürzte große Dominantnonakkord mit hochalterierter Quinte und hochalterierter Septime ist seinerseits ein Dominantseptakkord, der auch als Zwischendominante der Dominantparallele gedeutet werden kann.
Bei Nonakkorden mit hochalterierter None in Dur:
D9<5> , D9<5< sowie D9<7+ und deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.1.-3: Zwei Alterationen bei Dominanten mit hochalterierter None (Dur)
Bei Septakkorden mit tiefalterierter Terz in Moll:
D73–5> , D3–7> sowie D3–7+ und deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.1.-4: Zwei Alterationen bei Doppelterz-Klängen (Moll)
Bei der tiefalterierten Terz, die immer zusammen mit der akkordeigenen großen Terz auftritt, handelt es sich eigentlich um eine Koalteration (→ 7.4.5.4.).
Bei drei Alterationen sind Quinte, Septime und None (bzw. Terz) alteriert.
Plausibel erscheinen in Dur:
D9<7+5> und D9<7+5< sowie deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.2.-1: Dominanten mit drei Alterationen in Dur
in Moll:
D3–5>7> und D3–5>7+ sowie deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.2.-2: Dominanten mit drei Alterationen in Moll
Bei Disalteration erscheint ein Akkordton zugleich hoch- und tiefalteriert.
Disalteriert werden können Quinte (5> mit 5<) und Septime (7> mit 7+).
Disalteration der Quinte ist in Dur möglich, Disalteration der Septime in Moll. Das bedeutet, dass beide Disalterationen zugleich sich ausschließen.
Dominanten mit disalterierter Quinte:
in Dur: D5>5<, D75>5< und D9(–)5>5< sowie deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.3.-1: Dominanten mit disalterierter Quinte
in Moll: D7+7> und D9-7>7+ sowie deren verkürzte Form
Bsp. 7.4.5.3.-2: Dominanten mit disalterierter Septime
Alle alterierbaren Töne der Dominante können koalteriert erscheinen. Koalteration bedeutet, dass der alterierte Ton zugleich mit dem unalterierten Ton auftritt. Der häufigste Fall ist das Zusammentreffen der tiefalterierten Terz mit dem Leitton in Doppelterz-Klängen.
Bsp. 7.4.5.4.-1: Dominante mit Koalterationen (Mahler, Sinfonie Nr.10, Adagio T.208)
Bsp. 7.4.5.4.-1: Der Neunklang („Mahler-Akkord“) in Takt 208 aus dem Adagio der 10. Sinfonie von Gustav Mahler ist links in der originalen Notation dargestellt, rechts enharmonisch verwechselt bezogen auf die Haupttonart Fis-Dur. Es handelt sich um die Dominante mit disalterierter Quinte zusammen mit der reinen Quinte (Dis- und Koalteration!), koalterierter Septime (7 und 7+) sowie kleiner und großer None. Am harmonischen Total aller 12 Töne fehlen tiefalterierte Terz (e), Undezime (fis) und große Tredezime (ais).
Bsp. 7.4.5.4.-2: Accord de la résonance (Messiaen)
Der „Accord de la résonance“ (Bsp. 7.4.5.4.-2a), den Olivier Messiaen in seiner „Technique de mon langage musical“ (1942) aufführt, besteht aus den Partialtönen 4-5-6-7-9-11-13-15. Die Partialtöne 11 und 13 sind entweder als 11< uns 13– oder aber 5> und 5< zu deuten; in jedem Fall ist Partialton 15 die hochalterierte Septime. Dieser Akkord ist also als kleiner Dominanttredezimakkord mit hochalterierter Undezime und koalterierter Septime (Bsp. 7.4.5.4.-2b) oder als großer Dominantnonakkord mit dis- und koalterierter Quinte und koalterierter Septime (Bsp. 7.4.5.4.-2c) erklärbar.
Bei der enharmonischen Alteration ist ein alterierter Ton enharmonisch identisch mit einem anderen alterierten oder unalterierten Akkordton.
Bei der Dominante ist dies der Fall wenn gleichzeitig auftreten:
Die beiden enharmonischen Töne sind jeweils Strebetöne mit meist unterschiedlicher Auflösungsrichtung.
Bsp. 7.4.5.5.-1a-c: Aufgrund der Auflösungstendenzen (zur T) ergeben sich hinzugefügte Töne bei der Tonika (Sexte, große Septime und/oder None). Eine Auflösung zur t ist möglich, die hinzugefügte 7+ zur t ist allerdings unüblich.
Bsp. 7.4.5.5.-1d: Die große Sexte (Tredezime) weist auf eine Auflösung in die T3+, die D7> löst sich dagegen in die T3–. Die Auflösung nach T macht die Notation einer 7> sinnlos; die Auflösung in die t ergibt einen Querstand.
Bsp.7.4.5.5.-1: enharmonische Alterationen der Dominante
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